Der Gehörlosensportclub (GSC) Frankenthal entwickelt sich immer mehr zur Hochburg im Handball seiner Zunft. Acht Spieler, die dem Verein angehören, dürfen auf eine WM-Teilnahme im Juli hoffen. In Kopenhagen werden auch die Verantwortlichen auch die WM-Bewerbung 2026 vorstellen. In den letzten Tagen stand die Vorbereitung im Bundesstützpunkt in Haßloch auf dem Plan.
HASSLOCH. Die Blicke sind zunächst alle auf die Tafel gerichtet. Nicht nur das. Denn mittendrin steht Alexander Zimpelmann (Freinsheim) der Bundestrainer der deutschen Gehörlosen-Handball-Nationalmannschaft. Er zeigt mit den Fingern auf die jeweiligen Worte, die sein Co-Trainer Jan Willner (Deidesheim) geschrieben hat. Es sind die taktischen Auslösehandlungen, wie Sechs:Sechs, Klatsche, Abholen…König, Schorle erlaubt – 5-1 Abwehr. Für den Laien zunächst ein Sprachgewirr, das man kaum jemand verstehen wird. Es sei denn, man kennt die Sprache der Handballer. So geht der Blick bei diesem abendlichen Training des Bundestrainers in der Pfalzhalle in Richtung Mannschaft, die sich um ihn versammelt hat. Wieder einmal ist die Deutsche Gehörlosen-Handball-Nationalmannschaft zur Vorbereitung für die Weltmeisterschaft im Großdorf. Dabei gestikuliert er auch mit seinen Händen. Denn die größte Schwierigkeit besteht in der Kommunikation mit seinen Spielern. Denn alle haben mindestens einen Hörverlust von 55 Dezibel und beim Sport dürfen auch keine Hilfen genutzt werden. Deshalb werden auch visuelle Hilfsmittel eingesetzt. Keinesfalls, nur um mit den jeweiligen Zeichen die taktischen Maßnahmen in einem Spiel anzuzeigen, sondern auch um nochmals Worte, die gesprochen wurden, leserlich den Spielern zu zeigen. Fast alle Spieler können von den Lippen ablesen. Deshalb ist der ständige Blickkontakt umso wichtiger. Das erfordert für alle Beteiligten in der Mannschaft erhöhte Aufmerksamkeit und Konzentration, um auch die Vorgaben im Spiel umzusetzen. Nicht selten kommt auch im Spiel ein Spieler direkt an die Seitenlinie, um die taktischen Anweisungen des Trainerteams „abzuholen“. „Es gibt immer wieder Momente, wo wir so manche Anweisungen von außen nicht verstanden haben und deshalb zum Trainer gehen“, verrät Felix Werling. Der gebürtige Südpfälzer, der im Innenblock verteidigt, macht kein Geheimnis daraus, dass durch die schwierige Kommunikation untereinander, deshalb auch so manchen Fehler im Abwehrverhalten oder im Angriffsspiel unterläuft. „Es spielt sich bei uns auch vieles im Kopf ab, was wir auch so oft als möglich geübt haben“, weiß Dominik Götz. Ein lauter Zuruf bringt nichts. Da haben es Hörende deutlich einfacher. „Es gibt immer noch den einen oder anderen Spieler, wo wir gebärden müssen“, erzählt Zimpelmann. „In unserer Mannschaft sind nur wenige, die auf die Gebärdensprache angewiesen sind, daher arbeiten wir lautspracheorientiert. Wir verstehen uns aber dahingehend inklusiv für alle Arten der Gehörlosigkeit, deswegen können Trainer Lautsprache und Gebärdensprache. Wir nutzen aber nicht die Grammatik der Gebärdensprache, sondern machen Lautsprachebegleitendes Gebärden“, erzählt Jan Willner, der Co des Bundestrainers. Denn auch bei der Gebärdensprache sind Mundbewegungen wichtiger Bestandteil der Gebärdensprache. Dass diese Form der Kommunikation kein Thema mehr ist, verneint das Trainerteam. Zwar sorgte das Cochlea-Implantat sorgte bei den Gehörlosen für eine Revolution, in dem die gehörlosen Menschen von Beginn an mit der Lautsprache aufwachsen, aber das Gebärden bleibt weiterhin ein Thema. „Daran ändert sich nichts, dass wir nur wenige Spieler im Team haben, die das Benötigen“, so Zimpelmann. Aber ohne den Blick zum Trainerteam geht es nicht. Dazu kommen auch die stetigen individuellen Ansagen an den einzelnen Spieler. Während Alexander Zimpelmann mit Johannes Schulze, einer der wenigen Spieler, der auf diese Form der Sprache angewiesen ist, gerade gebärdet, spricht Jan Willner von Auge zu Auge mit Vincent Uben. Das erst 16 Jahre alte Talent im rechten Rückraum ist auch einer, der die direkte Ansprache braucht. „Jeder Spieler benötigt eine eigene Ansprache, man kennt mit der Zeit die Präferenzen jedes Einzelnen in der Kommunikation“, verrät Willner. Das dreiköpfige Trainerteam, zu dem auch Torwarttrainer Sven Labitzke (Mutterstadt) zählt, überlässt nichts dem Zufall. Auch sie gehen bei ihrem fünftägigen Lehrgang in der Haßlocher Pfalzhalle, die künftig Bundesstützpunkt des Deutschen Gehörlosen-Sportverbandes (DGSV) sein wird, an ihre Grenzen. Denn nicht immer sind sie sich sicher, ob alle Akteure die Anweisungen verstanden haben. Die Unterstützung des Pfälzischen Handballverbandes (PfHV) haben sie aber. „Wir Handballer sind eine Familie, egal ob jemand gehörlos ist oder nicht, wir sind füreinander da. Wir haben kein großes Geld, aber wir haben eine Halle und eine Infrastruktur, so dass wir etwas bewegen können“, sagte PfHV-Präsident Ulf Meyhöfer. Das Ziel ist klar, die Deafboys, wie die gehörlosen Handballer genannt werden, wollen bei der ersten Teilnahme bei der Weltmeisterschaft, die vom 01. bis 15. Juli 2023 in Kopenhagen stattfinden wird, eine Medaille. Nach der Silbermedaille bei den Deaflympics in Brasilien scheint die Zielsetzung keinesfalls utopisch. Beim Lehrgang im Großdorf zeigten sich die Gehörlosen, trotz der 29:27 (16:15) Niederlage gegen die Pfälzer Handball-Auslees deutlich verbessert. „Die Mannschaft hat nach dem letzten Lehrgang einen großen Schritt nach vorne gemacht, das Abwehrsystem Fünf-Eins verinnerlicht, aber der letzte Wille zum gegnerischen Tor hat uns noch gefehlt“, sagte Zimpelmann. Der Feinschliff vor der Abreise nach Kopenhagen, wo die Mannschaft in der Vorrunde auf Kenia, Dänemark und Serbien treffen wird, soll beim Abschlusslehrgang in drei Wochen in Hollenstedt (Niedersachsen) erfolgen. Dann dürfte auch der 14er WM-Kader um die beide Routiniers Felix Werling und Dominik Götz vom Gehörlosensportclub (GSC) Frankenthal stehen.
Von Jochen Willner